1. Mai #unteilbarSolidarisch
Gemeinsam mit FridaysforFuture Oldenburg, dem KlimaKollektiv Oldenburg, der Seebrücke Oldenburg, der ALSO (Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg), Osternburg solidarisch gegen Corona und weiteren Aktivist*innen haben wir einen Podcast aufgenommen, da wir nicht wie gewohnt auf die Straße gehen können. Unter dem Motto #UnteilbarSolidarisch haben sich verschieden Gruppen zusammen getan, um ihre Anliegen gemeinsam in die Öffentlichkeit zu tragen.
Auf dem Blog findet ihr den Podcast zum Anhören: https://erstermaioldenburg.noblogs.org/ und hier unseren Beitrag zum Nachlesen. Am Ende findet ihr Kontaktdaten von verschiedenen Beratungsstellen in und um Oldenburg, an die ihr euch auch momentan wenden könnt.
Wir sind vom Autonomen feministischen Referat der Uni Oldenburg, wir veranstalten verschiedene queer_feministische Workshops und Vorträge und fördern FLINT+ Studierende und verschiedene feministische Projekte.
Unser Beitrag handelt von sexualisierter, häuslicher und psychischer Gewalt. Wir wollen damit Themen ansprechen, die immer noch unsichtbar gemacht und tabuisiert werden. Wenn Du aber gerade keine Kraft und Energie hast, dich damit zu beschäftigen, dann hör auf dich. Wann du dich damit auseinandersetzen willst, entscheidest du!
Es gibt in Oldenburg mehrere Stellen, an die du dich wenden kannst, wenn du UnterstĂĽtzung brauchst. Aufgrund der aktuellen Lage kannst du die meisten gerade nur ĂĽber E-Mail oder das Telefon erreichen. Es gibt Wildwasser, die Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt an Mädchen und Frauen, es gibt an der Uni Oldenburg fĂĽr Studierenden und Mitarbeiter_innen die Beratungsstelle ConTakt. FĂĽr Frauen und Kinder, die von körperlicher, psychischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen sind, gibt es zudem das Autonome Frauenhaus, dass ihr Tag und Nacht erreicht. Auch kannst du dich bei BISS, der Beratungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt melden. Diese beraten Frauen und Männer, die in ihrer Partnerschaft Gewalt erleben. FĂĽr gewaltbetroffene Migrantinnen und geflĂĽchtete Frauen gibt es die Beratungsstelle Olena. Nach einer Gewalttat kannst du dich zur Beweissicherung an das Netzwerk Pro Beweis im Klinikum Oldenburg in der Gynäkologie oder der Chirurgischen Ambulanz – ĂĽber die Zentrale melden. Diese fĂĽhren eine vertrauliche Befund- und Spurensicherung durch, unabhängig davon, ob du eine Anzeige machen willst oder nicht. Wenn du rechtliche Schritte gegen Täter*innen einlegen willst, kannst du dich an den WeiĂźen Ring wenden. Allgemein gibt es das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“. FĂĽr queere Personen und trans Personen die UnterstĂĽtzung brauchen, gibt es Rat&Tat und Trans Recht e.V. Alle Kontakte zu den Beratungsstellen findet ihr auf den Social Media Kanälen des FemRefs.
Unser Beitrag ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil versuchen wir uns an einer gesellschaftlichen Bestandsaufnahme und einer Kritik am aktuellen Zustand, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit.
Der zweite Teil beschäftigt sich mit dem Umgang mit sexualisierter Gewalt in linker Szene und versucht Wege zu finden aus der eigenen Betroffenheit auszubrechen und sich zu empowern.
Wir sprechen auĂźerdem von sexualisierter Gewalt und nicht von sexueller Gewalt, da es um eine sexualisierte Form von Machtmissbrauch und nicht um sexuelle Handlungen geht.
Seit Beginn der Corona Pandemie ist ein großer Aufruf der Solidarität entstanden. Bleibt zu Hause. Schützt diejenigen, die besonders von dem Virus betroffen sein könnten. Doch mit der Solidarität ist das nicht so einfach. Mehr noch, fast perfide. Nicht für alle ist Zuhause ein sicherer Ort und nicht alle haben ein Zuhause. Seit Corona gibt es einen rapiden Anstieg von häuslicher Gewalt. Rückzugsorte wie Schule, Arbeitsplatz, Freund*innen und Verwandschaftsbesuche fallen weg. Stress und psychische Belastungen steigen allgemein. Finanzelle Sorgen, weil man den Job verloren hat und die Miete für die Wohnung nicht gezahlt werden kann, Kinder die Beschäftigung brauchen. Nichts davon kann und sollte Gewalt legitimieren. Es sind aber oft Faktoren, die gewaltvolles Verhalten begünstigen.
Niedrig bezahlte Jobs gehen verloren, viele FLINT+ Personen arbeiten in prekären Verhältnissen, viele auch in Pflegeberufen. Unter diesen Umständen ist eine Trennung von Täter*innen meist keine Option. Vor allem dann, wenn Betroffene in einem finanziellen Abhängigkeitsverhältnis zu den Täter*innen stehen.
Wir reden von physischer und psychischer Gewalt, darunter fällt Gewalt in Beziehungs- und Familienkontexten. Wir versuchen den Gewaltbegriff weiter zu fassen, als er in der Regel in Statistiken zu z.B. häuslicher Gewalt dargestellt wird. Gewalt gegen intergeschlechtliche Kinder, deren Eltern nicht nötige, vermeintlich „korrigierende“ OPs durchfĂĽhren lassen, damit ihre Kinder einer binären Geschlechterkategorie entsprechen, fällt fĂĽr uns ebenfalls unter die Definition, geschlechtsspezifische Gewalt. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bis hin zu Femiziden und Suiziden aufgrund von Transfeindlichkeit und Transmisogynie ebenfalls.
Oft war und ist es ein guter Ausweg, um fürs Erste aus einer gewaltvollen Situation zu entkommen, spazieren zu gehen und nicht in Konfrontation mit Täter*innen zu sein. Dies ist nun nicht mehr einfach möglich. Da Betroffene von Gewalt jetzt oft 24/7 mit Täter*innen auf engstem Raum sind, ist es extrem schwierig geworden, Hilfe zu holen. Unbemerkt die Nummer des Hilfetelefons zu wählen, wenn Täter*innen in der Wohnung sind, ist fast unmöglich. In Frankreich ist die Zahl der Anrufe beim Hilfetelefon von 400 am Tag auf 100 am Tag gesunken. Das bedeutet nicht, dass die Zahl der Übergriffe zurück gegangen ist, es bedeutet, dass es für Betroffene schwieriger geworden ist, Unterstützung zu finden. Eine Option für Betroffene von Gewalt können Frauenhäuser sein. Doch diese waren schon vor der Krise überlastet und unterfinanziert. Jetzt, durch die Corona Pandemie, hat sich die Situation in den Frauenhäusern durch den erhöhten Bedarf an Sicherheit und Schutz noch weiter verschärft. Zudem gibt es viele Lücken, die Frauenhäuser und anderen Unterstützungs- und Beratungsangebote oft nicht schließen können und sie somit für viele Personen nicht als Anlaufpunkt in Frage kommen. Für Menschen mit Behinderungen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, ist es schwieriger, an Unterstützung zu kommen. Sie werden bei Behörden oft weniger ernst genommen und Frauenhäuser und Hilfetelefone sind meist nicht barrierearm genug. Auch für Geflüchtete, Migrant*innen und Menschen ohne Papiere kann es sogar gefährlich sein, bei patriarchaler Gewalt nach Unterstützung zu suchen. Viele von ihnen befinden sich durch Kurz- und Zeitarbeitsverhältnisse in besonders prekären Lagen. Frauenhäuser können Personen ohne Papiere oft nicht aufnehmen, da sie meist auf staatliche finanzielle Mittel angewiesen sind. Wenn sie bei staatlichen Institutionen wie beispielsweise der Polizei Unterstützung suchen, stoßen sie oft auf sprachliche Barrieren und nicht wenigen von ihnen droht eine Abschiebung.
Eine weitere Lücke sind die Unterstützugsmöglichkeiten für trans, inter und nichtbinäre Personen. Unsere Gesellschaft ist von Zweigeschlechtlichkeit geprägt. Angebote richten sich häufig nur an cis Frauen, manchmal noch an cis Männer, aber die Bedürfnisse, die Personen anderer Geschlechtsidentitäten in einem Unterstützungs- und Beratungsprozess haben werden nicht gesehen oder bewusst ignoriert. Die Hürde, sich Unterstützung zu holen, ist noch viel größer, wenn nicht klar ist, ob die eigene Lebensrealität gesehen und beachtet wird. Und selbst wenn trans, inter und nichtbinäre Personen in Frauenhäusern aufgenommen werden, kann ein Schutzraum vor weiterer Gewalt kaum sichergestellt werden, weil es auf struktureller und individueller Ebene zu trans- und queerfeindlicher Gewalt kommen kann.
Auch für Kinder ist die Situation problematischer geworden. Gewalt zuhause ist für viele Kinder leider immer noch Alltag. Momentan sind jedoch fast alle Zufluchtsorte nicht mehr erreichbar. So ist es für viele Kinder nicht möglich, die Unterstützung zu bekommen, die sie jetzt bräuchten. Für viele queere Kinder und Kinder, die aus anderen Gründen ihren Eltern gegenüber nicht so sein können, wie sie eigentlich sind, bedeutet Zeit zuhause auch oft Zeit, in der sie sich verstecken müssen und eingeschränkt sind. Intergeschlechtliche Kinder erfahren häufig von Geburt an durch ihre Eltern Gewalt, durch OPs ohne ihr Einverständnis, werden sie von klein auf in zweigeschlechtliche Kategorien gezwungen. Eltern treffen eine bewusste Entscheidung, ihren Kindern dauerhaften Schaden zuzufügen, sie sind häufig für die Nachsorge verantwortlich, die ebenso gewaltsam ist wie die OPs an sich. Wegen dem Bedürfnis der Eltern, ihre Kinder einem der binären Geschlechter zuzuordnen, tragen viele inter Personen dauerhafte körperliche und psychische Schäden davon.
Es müssen also mehr barrierearme Anlauf- und Beratungsstellen geschaffen und finanziert werden. Es müssen Schutzräume für von Gewalt betroffenen queere und trans Personen geschaffen werden. Es muss Schutzräume für von Rassismus betroffene FLINT+ Personen geben. Schon bestehende Angebote müssen ausgebaut, sensibilisiert und an weitere Bedürfnisse angepasst werden. Es müssen kontaktlose Beratungsmöglichkeiten geschaffen werden, damit alle die darauf angewiesen sind die Unterstützung und Sicherheit bekommen, die sie benötigen.
Es muss Aufklärungs- und Informationsangebote geben, das heißt auch, dass Aufklärungsunterricht in Schulen flächendeckend weitergebracht und inklusiver werden muss. Es darf nicht passieren, dass jetzt, wie zum Beispiel in Polen, versucht wird Fortschritte wieder rückgängig zu machen oder gar noch restriktivere Gesetze erlassen werden.
Vermeintlich korrigierende OPs an intergeschlechtlichen Kindern müssen sofort verboten werden. Durchgeführt unter dem Vorwand, die Kinder damit vor Diskriminierung zu schützen, wird damit das Gegenteil erreicht. Intergeschlechtliche Kinder werden durch gesellschaftliche Aufklärungsarbeit und Anerkennung geschützt. Schutz kann nur flächendeckende Bildungs- und Antidiskriminierungsarbeit bieten.
Der Staat versucht die Probleme unserer Gesellschaft zu individualisieren. Es wird ein Bild gezeichnet, dass Täter*innen als triebgesteuert und psychisch krank darstellt und sie so ihrer Verantwortung entzieht. Die eigentlichen Motive für geschlechtsspezifische Gewalt, sind Machtdemonstration und Hass. Es sind jedoch nicht nur einzelne Täter*innen, die die Gewalt ausüben, das Problem. Es ist vor allem ein strukturelles Problem, was dahintersteckt.
In wenigen Fällen kommt es überhaupt zu einer Anzeige und nur eine geringe Prozentzahl der Anzeigen führt überhaupt zu einer Verurteilung. Betroffenen wird nicht geglaubt, mit dem Vorwurf, sich nicht gewehrt zu haben oder sich vermeintlich falsch verhalten zu haben, wird ihnen die Schuld an Übergriffen gegeben. Sie werden in eine Beweispflicht gedrängt, häufig steht Aussage gegen Aussage und ein Urteil wird nicht im Interesse der Betroffenen gefällt, sondern meistens im Interesse der Täter*innen.
Mit diesem Bewusstsein, dass der Staat kein Interesse daran hat, das Problem auf einer strukturellen Ebene anzugehen, müssen wir nach neuen Lösungswegen suchen.
Es stellt sich also die Frage, wie gute Unterstützungsarbeit für Betroffene aussehen kann. Um gute Betroffenenunterstützung zu leisten, muss eine parteiliche Position eingenommen werden, mit dem Bewusstsein, dass Betroffene niemals für die erlebte Gewalt verantwortlich sind. Es sind die Täter*innen, die zur Verantwortung gezogen werden müssen. Es muss klar sein: Es gibt keine Einzelfälle. Forderungen von Betroffenen müssen ernst genommen werden.
Mit dem Bewusstsein, dass Polizei, Justiz und Staat unseren AnsprĂĽchen nicht gerecht werden können und wir daher selbst Verantwortung ĂĽbernehmen mĂĽssen, mĂĽssen wir auch Wege finden, mit geschlechtsspezifischer Gewalt in linken Kontexten umzugehen und diese zu thematisieren – und zwar alle, nicht nur die Betroffenen.
In schwarzen Communities in den USA wurden Wege entwickelt, um innerhalb der Communities ĂĽbergriffiges Verhalten zu thematisieren und zu bearbeiten, ohne auf rassistische staatliche Strukturen angewiesen zu sein. Die so entstandenen Konzepte der Transformativen Gerechtigkeit und Community Accountability, also VerantwortungsĂĽbernahme in der eigenen Community sind dafĂĽr gedacht, ĂĽber das Justizsystem hinaus, Wege zu finden, Ăśbergriffigkeiten zu bearbeiten.
Es geht darum, nachhaltige Strategien zu entwickeln, um gewaltvolles Verhalten zu adressieren, Verantwortung für eigenes Verhalten zu übernehmen und das Verhalten zu ändern. Es geht um eine Veränderung der politischen Zustände, es geht darum Strukturen zu schaffen, die Sicherheit und Unterstützung für Betroffene bieten können, aber auch Unterdrückung und Machstrukturen bekämpfen.
Diese Ansätze versuchen im Gegensatz zu strafenden Systemen, Verhaltensänderungen herbeizuführen und sich aktiv mit den Gründen für Gewalt auseinander zu setzen und diese zu bekämpfen.
Die einzigen Konsequenzen, die die wenigsten Täter*innen erfahren, erfahren sie, wenn überhaupt, durch die Justiz und Strafe. Wir müssen in linken, feministischen Kreisen anfangen, Täter*innen zur Verantwortung zu ziehen und sie mit ihrem Verhalten zu konfrontieren, oder um es mit den Worten des Transformative Justice Kollektivs Berlin zu sagen: There is no justice, there is just us. // Es gibt keine Gerechtigkeit, es gibt nur uns.
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Der folgende Beitrag handelt von sexualisierter Gewalt in linken Szenekontexten. Wir haben uns dazu entschieden den Täter-Begriff nicht zu gendern, da in 90% der Fälle der Täter ein cis Mann ist. Wir wollen dennoch darauf aufmerksam machen, dass auch in linken Räumen Personen von Gewalt betroffen sind, die von cis Frauen ausgeht. Ebenso sind nicht alle Betroffenen cis weiblich.
Trans- inter- und nichtbinäre Personen erleben in sogenannten safer spaces immer noch strukturelle Diskriminierung, oft auch in feministischen Kontexten.
Anfeindungen, Zwangsoutings, die Infragestellung des Geschlechts und andere Formen von Trans- und Queerfeindlichkeit sind Teil des Problems und müssen schärfstens verurteilt werden.
Linke Szenekontexte bieten darüber immer noch ein sehr einheitliches Bild von Männlichkeit. Mackertum bleibt viel zu oft unkommentiert und wird nicht selten unterstützt, bestärkt und gefeiert.
Auch wir sind nicht frei von patriarchalen Machtstrukturen. Gewalt ist ein strukturelles Problem. So werden auch in linken Räumen immer wieder Fälle bekannt.
Wie zuletzt auf dem linksalternativen Festival Monis Rache. In den Jahren 2016 und 2018 installierte ein Mitarbeiter eine Kamera in einem der Dixiklos auf dem Gelände, verbreitete die Aufnahmen auf der Pornoseite xHamster und verdiente durch den Verkauf ca. 7400€.
Auf xHamster, der meistbesuchten Pornoseite Deutschlands, werden täglich hundertausendfach heimliche Filmaufnahmen hochgeladen, die Frauen, oft Minderjährige, meist voll erkennbar in Umkleidekabinen, Duschen oder Toiletten zeigen. Die Täter fühlen sich online sicher und feiern sich gegenseitig in den Kommentarspalten. Die Betreiber*innen der Seite verweisen in ihrem Statement auf die Einwilligung aller Beteiligten. Was in den folgenden Monaten unter dem Deckmantel „Porno“ diskutiert wird, ist schlichtweg eine Form von sexualisierter Gewalt und eine Ausübung von Macht.
Der Umgang mit dem Täter offenbart ein weiteres Mal die Unfähigkeit von linken Strukturen, mit sexualisierten Übergriffen in den eigenen Reihen umzugehen.
Die Journalistin Patricia Schlosser leitete die Reportage rund um die Vorfälle auf dem Festival und war maßgeblich an der Identifizierung des Täters beteiligt. Nachdem sie mit der Festivalorganisation erstmals im Oktober 2019 in Kontakt trat, entschieden sich die Veranstalter*innen (später bekannt als „Erst-Kenntnis-Gruppe“) gegen eine Anzeige und informierten die restlichen Mitglieder der Festivalorganisation nicht über die Videos. Der Großteil der Crew von Monis Rache erfuhr ebenso wie der Rest der potenziell Betroffenen und Festivalbesucher*innen, erst durch die Veröffentlichung der Reportage im Januar von den Aufnahmen. Mehrere Monate wohnte der Täter weiter in einem Hausprojekt in Leipzig. Zwei seiner Mitbewohner*innen waren ebenfalls Teil des Orga Teams von Monis Rache und wussten bereits seit September über die Taten Bescheid, informierten jedoch nicht die anderen Bewohner*innen.
Ohne Unterstützung von den eigenen Strukturen ist es für Betroffene auch meist keine Möglichkeit, Anzeige gegen den Täter zu erstatten. Zu oft werden Sexualstraftaten bagatellisiert und Betroffene werden in einem Verfahren immer wieder in erniedrigende Situationen gebracht oder gar retraumatisiert. Nicht selten wird ihnen von Seiten der Polizei eine Mitschuld an den Vorfällen vorgeworfen oder ihnen wird schlichtweg nicht geglaubt.
Von der Erstkenntnisgruppe wurde versucht mit dem Konzept der Transformativen Gerechtigkeit zu arbeiten und den Täter dazu zu bringen, sein Verhalten zu ändern. Allerdings wurde einer der absoluten Grundsätze, nämlich dass die Selbstbestimmung und der Schutz der Betroffenen an vorderster Stelle stehen müssen, missachtet. Betroffene wurden nicht informiert und hatten keine Möglichkeit zur Mitsprache. So wurde lediglich der Täter geschützt, transformative Prozesse müssen Täter*innen konfrontieren und nicht schützen. Transparenz und Parteilichkeit den Betroffenen gegenüber ist Voraussetzung dafür, dass ein solcher Prozess überhaupt begonnen werden kann. Was in diesem Fall nicht erfüllt war, da Betroffene gar nicht von den Vorfällen wussten, da sie nicht informiert wurden und die EKG Informationen zurückgehalten hat.
An dem eigenen feministischen Anspruch scheitern. Monis Rache ist kein Phänomen und schon lange kein Einzelfall.
Durch anonymisierte Emails erfuhren die Betreiber*innen des Festivals Fusion im Januar, dass im vergangenen Jahr FLINT+ Personen in den Duschen ohne ihr Einverständnis gefilmt und das Material anschließend online gestellt wurde.
Erst eine Woche vor dem Bekanntwerden der Vorfälle bei Monis Rache hatte bei einem Konzert der Gruppe HGich.T in dem Kulturzentrum Conne Island in Leipzig ein männliches Mitglied der Gruppe eine Besucherin auf der Bühne vergewaltigt.
Im Frühjahr 2019 wurden auch im Alhambraumfeld mehrere Fälle von sexualisierten Übergriffen bekannt.
Das ist jetzt etwa ein Jahr her. Ich würde gerne behaupten, dass seitdem viel passiert ist, aber let’s face facts: Eine politische Szene mit emanzipatorischem Anspruch, wird diesem kaum gerecht, wenn die patriarchalen Strukturen in den eigenen Reihen reproduziert werden. Wir sind nicht frei von äußeren Einflüssen und Machtstrukturen. Hier sind nicht alle gleich. Wir haben ein Problem.
Denn solange wir uns als antisexistisch labeln, ohne dieses Label mit Inhalten zu füllen, bleiben wir, wo wir sind: Im sexistischen Normalzustand. Solange wir glauben, wir seien zu links/feministisch/emanzipiert für derlei Vorfälle, haben Betroffene Angst sich mitzuteilen.
Solange du Beweise forderst, Übergriffe mit Alkohol/Drogen herunterspielst, die Augen verschließt, haben Betroffene Angst sich mitzuteilen. Und Täter machen ungehindert weiter.
Auch auf deiner Party, deinem Konzert, in deiner Gruppe und deinem Freund*innenkreis sind Personen betroffen von sexualisierter Gewalt. Auch in deinem Umfeld gibt es Täter. Antisexismus muss praktisch werden!
Deswegen fordern wir gemeinsam sichere Räume, on- und offline! Sexualisierte Übergriffe in linken Kontexten sichtbar machen und bekämpfen! Täter zur Verantwortung ziehen!
Wir sind eine unabhängige Gruppe von Betroffenen und Unterstützer*innen. Wir wollen erzählen was uns passiert ist und wir wollen endlich, dass ihr uns zuhört! #notsosafespace
Denn was bringt noch ein Redebeitrag darĂĽber, dass wir als Akteur*innen einer Szene mit emanzipatorischem Anspruch unsere Werte mit Inhalt fĂĽllen mĂĽssen, wenn trotz allem FLINT+ (FrauenLesbenInterTransNichtbinäre+) Personen sexualisierte Gewalt erleben, ĂĽbergangen/gesilenced werden und Täter strukturell geschĂĽtzt werden. Bei all dem „Aber das hier ist doch ein safe space“ und „Gibt’s nicht“, kann der Redebeitrag noch so gut geschrieben sein, es bleiben doch immer dieselben unreflektierten cis Macker, die mitlaufen, um sich ihre Szenecredibility abzuholen.
Wenn du dich als Teil dieser*jener linken Szene verstehst, dich in antifaschistischen Strukturen bewegst, im Autonomen Zentrum aktiv bist, etc. und in diesem Kontext sexualisierte Gewalt, ĂĽbergriffiges Verhalten und/oder sexistische KackscheiĂźe erlebt hast, dann schreib uns an wetakebackthescene@gmail.com oder fĂĽlle online den anonymisierten Fragebogen aus.
Auch wenn wir vermutlich in diesem Jahr nicht auf die Straße können, lasst uns gemeinsam laut sein. #takebackthescene
Zur Vernetzung, zum Austausch, gemeinsamen aktiv werden und entgegen dem Gefühl der Isolation, den ein Übergriff so oft zurücklässt.
Sie wollten uns lange genug nicht zuhören, nicht wahrhaben dass die Täter unter uns sind. Wir wollen auf Papier bringen was schon zu lange unsichtbar ist. Wir sind hier. Und wir sind viele.
Aus unserer Verletzung wird Wut, aus unserer Angst Solidarität. Gemeinsam nehmen wir Rache am Patriarchat!
Kein Täterschutz, auch nicht und erst recht nicht, bei Tätern aus den eigenen Strukturen!
p.s. Wir wissen selbst noch nicht genau wohin die Reise geht, da wir am Anfang dieses (hoffentlich großen) Projektes stehen, aber wir hoffen, dass wir viele von euch erreichen. Die Texte aus der Umfrage, sowie die, die wir per Mail erhalten, werden voraussichtlich im Spätsommer auf www.takebackthescene.wordpress.com veröffentlicht, wenn ihr das möchtet. Der Fragebogen beinhaltet ca. drei Fragen. Ihr müsst nicht alle beantworten, um teilzunehmen. Wenn ihr uns eure Erfahrungen über den Fragebogen mitteilt, könnt ihr außerdem noch einmal explizit angeben ob und wie ihr (anonymisiert oder nicht) veröffentlicht werden wollt. Den Link dazu findet ihr auf unserem Blog. Die Beiträge, die uns in den kommenden drei Monaten erreichen, werden außerdem in einem Beitrag in der Kolumne des Autonomen Feministischen Referats Oldenburg herausgebracht. Je nachdem wie viele Nachrichten uns erreichen, ist außerdem der Plan, ein Zine zu gestalten. Wenn ihr weitere Fragen oder Anregungen habt, schreibt uns eine Mail oder eine Nachricht bei Instagram @takebackthescene.
„Cause if you’re tired of hearing our stories, imagine how tired we are of living them.“
Rise
Flesh and bones – I give in
There’s a trap I step in
But the more they take the less I give in
Cause I’m so tired to fit in
This life behind bars
High pressure brings back unknown parts
Don’t know where I’m going but the wind is blowing
Soon those memories will fade away
And even if it’s gonna take some time
I made an all
From now on I’ll misbehave
I misbehave
(Deutsche Laichen – For a Start)
Kontaktstellen:
Wildwasser, die Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt an Mädchen und Frauen info@wildwasser-oldenburg.de 0441 166 56
Trans Recht e.V.: 0160-5889070, weser-ems@trans-recht.de
Rat & Tat: (04 21) 70 41 70 oder per Mail ĂĽber das Kontaktformular auf der Homepage erreichbar
Das Autonome Frauenhaus, Tag und Nacht unter 0441 47981 erreichbar
Beratungsstelle ConTakt, an der Uni Oldenburg fĂĽr Studierenden und Mitarbeiter_innen: contakt-beratungsstelle@uol.de / +49 (0)441 798-2249 oder 798-2776
BISS, der Beratungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt. Diese beraten Frauen und Männer. die in ihrer Partnerschaft Gewalt erleben. Deren Kontakt ist 0441 235-3798
FĂĽr gewaltbetroffene Migrantinnen und geflĂĽchtete Frauen gibt es die Beratungsstelle Olena, 0441 235-3490 oder per E-Mail ĂĽber Olena.beratung(at)web.de
Nach einer Gewalttat kannst du dich zur Beweissicherung an das Netzwerk Pro Beweis im Klinikum Oldenburg in der Gynäkologie unter 0441-403 10510 oder der Chirurgischen Ambulanz – ĂĽber die Zentrale unter 0441 -403 0 melden. Diese fĂĽhren eine vertrauliche Befund- und Spurensicherung durch, unabhängig davon, ob du eine Anzeige machen willst oder nicht
Wenn du rechtliche Schritte gegen Täter*innen einlegen willst, kannst du dich an den Weißen Ring wenden. Die E-mail-Adresse lautet: petra.klein@ewetel.net und die Telefonnummer 0441 36164272
Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“.
Das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter der kostenfreien Nummer 08000 116 016 leistet Erst- und Krisenunterstützung