Kritik von Studierenden
Uns wurde eine Stellungnahme einer Gruppe Studierender der Uni zu dem Vortrag von Philippe Witzmann âDie unkultivierte Aneignungâ zugesandt, die wir gerne mit euch teilen möchten. Wir finden diese Kritik sehr wichtig und solidarisieren uns mit den Autor_innen.
Von einer Gruppe Studierender: Ăffentliche Stellungnahme zu dem Vortrag âDie unkultivierte Aneignungâ
Wir sind eine Gruppe von Studierenden verschiedenster Fachrichtungen. Wir sind weder politisch motiviert noch haben wir eine bestimmte âGesinnungâ. Wir möchten, dass ihr uns anhört und euch genauso empört wie wir! Als mĂŒndige Studierende ist es unsere Pflicht, uns einzumischen.
Unser Anliegen ist klarzustellen, dass wir uns von dem AStA Oldenburg nicht reprĂ€sentiert fĂŒhlen und das dieser nicht die âStimmeâ aller Studierenden ist!
Es geht dabei um folgenden Fall:
Der von dem AStA organisierte und daher zu verantwortende Vortrag von Philippe Witzmann mit dem Titel âDie unkultivierte Aneignung. Ăber islamische Sklavereiâ fand am 27. Juni 2018 an der Uni Oldenburg statt und thematisierte die â1300- jĂ€hrige Geschichte islamischer Sklavereiâ. Der AStA hat mit dem AnkĂŒndigungstext fĂŒr den Vortrag geworben. Dieser Text ist unserer Meinung nach in seinem Wortlaut unhaltbar und einseitig! Dazu möchten wir einige Stellen kommentieren. So heiĂt es dort:
âZudem war das islamische Sklavensystem, historisch betrachtet, wesentlich umfangreicher und grausamer als das transatlantische-europĂ€ische.â
Diese Aussage ist unhaltbar und erniedrigt die Opfer systematischer Sklaverei und Ausbeutung, die in dieser âtransatlantisch-europĂ€ischenâ Kolonialisierung stattgefunden hat und deren Auswirkungen bis heute nachwirken. Warum wird nicht gleichzeitig erwĂ€hnt, dass am Anfang des 20. Jahrhunderts 83% der Welt von europĂ€ischen WeltmĂ€chten kontrolliert und ausgebeutet worden ist und sie damit erst ihren ökonomischen Vorsprung sichern konnten. Wenn verglichen wird, dann bitte vollstĂ€ndig! Menschen, wie Philippe Witzmann versuchen die eigene Verantwortung dadurch abzugeben, in dem sie ein angeblich noch gröĂeres Ăbel prĂ€sentieren. Wir bestreiten nicht, dass es im Namen des Islam Sklaverei gab und gibt, aber die âtransatlantische-europĂ€ischeâ Sklaverei und ihr Erbe kann sich nicht selbst heilen, in dem sie âAndereâ noch krĂ€nker darstellt, als sie selbst ist. Es wird zudem in dem Beitrag verschwiegen, dass dieses âislamische Sklavensystemâ nur so umfangreich agieren kann und konnte, weil sie in der Zusammenarbeit und einer Interdependenz zu Europa stand und gegenwĂ€rtig steht.
Die islamische Sklaverei zu thematisieren mit dem Verweis, dass die âeuropĂ€ischeâ weniger âgrausamâ war, ist ideologisch und hat mit Wissenschaft nichts zu tun. Lieber AStA, es ist fĂŒr uns unerklĂ€rlich, dass ihr diesem Diskurs Raum bietet. An anderer Stelle im Text heiĂt es:
âIm RĂŒckblick gilt es daher die These zu profilieren, dass das einzig âWeiĂeâ an Kolonialismus und Sklaverei, deren Abschaffung gewesen ist. Hingegen gibt es bis heute kein nennenswertes islamisches Pendant zum christlich-westlichen Abolitionismus […]â.
Diese Aussage ist ein typisches Beispiel fĂŒr einen âSozialdarwinismusâ, den wir schon mal hatten und der Europa ins Verderben gefĂŒhrt hat. Hier werden mit einer bestimmten Absicht zwei Blöcke in einem asymmetrischen VerhĂ€ltnis gegenĂŒbergestellt, die in sich völlig heterogen sind. Europa oder der âzivilisierte Westenâ (wer das auch immer sein mag) ist wieder eine Stufe höher auf der Entwicklungsstufe der Menschheit gestiegen. Wir, das âchristlich-westlicheâ, haben also die Sklaverei abgeschafft. Ist da wirklich so? Haben wir dies freiwillig und ohne KalkĂŒl vollbracht? Und die âAnderenâ, die Muslime, das sind die Barbaren, die ZurĂŒckgebliebenen? Als die Sklaverei von den Griechen (der philosophischen Wiege Europas) wie selbstverstĂ€ndlich gelebt wurde, gab es nicht mal eine Idee von einem Islam.
Seitens des AStA wird darauf hingewiesen, dass nicht durch Zitationsaussagen auf die Absichten des Zitierten zu schlieĂen sei. Wir fragen uns, ob das wirklich ernst gemeint ist?! Genau das ist aber die Taktik: Provokante Aussagen machen und dann wieder relativieren, der Effekt bleibt…
Zu behaupten, dass dieser Vortrag dazu gedacht sei, eine Diskussion zu organisieren, entbehrt jeder Grundlage. Denn es geht im Vortrag darum einen ganz bestimmten Diskurs, der sich latent in Europa entwickelt, zu festigen und eine Renaissance einer âreinen IdentitĂ€tâ im Sinne einer âStunde-Nullâ, wieder zu etablieren. Es ist bekannt, dass dieser Diskurs die Macht besitzt, seine eigene âWahrheitâ zu reproduzieren. Von daher möchten wir erst gar nicht, dass diese einseitige Art des Denkens durch VortrĂ€ge FuĂ fasst. Der AStA hat natĂŒrlich das Recht, das zu tun, was sie fĂŒr richtig hĂ€lt, aber sie tut es nicht in unseren Namen und sie vertritt nicht die Mehrheit der Studierenden!
Das Thematisieren der eigenen gesellschaftlichen VerhĂ€ltnisse und die Verantwortung dafĂŒr, bringt uns kulturell und als Gemeinschaft weiter, als das Denunzieren und Verurteilen der âAnderenâ!